Prokrastination bei ADHS

Prokrastination bei ADHS

Prokrastination bei ADHS: Warum wir scrollen und wie wir es sinnvoll nutzen können


Wenn du ADHS hast, kennst du es sicher: Die To-Do-Liste ist lang, die Zeit knapp, und dennoch findest du dich auf Social Media wieder, während du eigentlich etwas anderes tun solltest. Dieses Verhalten – Prokrastination – führt oft zu Schuldgefühlen, weil man das Gefühl hat, wertvolle Zeit verschwendet zu haben. Doch was wäre, wenn wir genau diese Zeit so umgestalten könnten, dass sie nicht nur weniger belastend, sondern auch bereichernd wird?

Versuchen wir mal dahinter zu schauen warum Prokrastination bei ADHS so häufig vorkommt, welche Mechanismen dahinterstecken und wie du deine „Abschaltzeit“ gezielt nutzen kannst, um ein besseres Gefühl zu entwickeln. Ich teile Tipps, die mir persönlich helfen, und hoffe, sie können auch dich inspirieren.

Warum scrollen wir eigentlich? Die Verbindung von Prokrastination und ADHS

Prokrastination ist kein Zeichen von Faulheit. Es ist vielmehr eine Art Schutzmechanismus, der bei Menschen mit ADHS besonders häufig auftritt.

1. Die Überforderungsspirale
Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, Prioritäten zu setzen und Aufgaben strukturiert anzugehen. Die schiere Menge an To-Dos kann überwältigend wirken. Statt anzufangen, weil der Druck zu groß wird, sucht unser Gehirn eine Möglichkeit, „abzuschalten“. Social Media, Streaming-Dienste oder belangloses Surfen sind heutzutage willkommene Fluchtorte. 

2. Das Belohnungssystem von ADHS
Ein AD(H)S-Gehirn hat ein anderes Verhältnis zu Dopamin, dem „Belohnungsstoff“ des Körpers. Social Media liefert durch Likes, Kommentare oder interessante Inhalte kleine, schnelle Dopaminschübe, die kurzfristig angenehmer sind als die langwierige Befriedigung, die durch das Erledigen einer Aufgabe entsteht.

3. Das schlechte Gewissen
Nach der Phase des „Abschaltens“ folgt oft das schlechte Gewissen: „Warum habe ich wieder so viel Zeit verschwendet?“ Dieses Gefühl verstärkt die Abwärtsspirale, da es uns demotiviert und noch weiter von unseren Zielen entfernt.

 

Wie du Prokrastination in etwas Sinnvolles verwandelst


Anstatt gegen die Prokrastination anzukämpfen, könntest du versuchen, sie als etwas Positives zu betrachten. Es geht nicht darum, sie zu eliminieren, sondern sie für dich zu nutzen. Hier sind einige Strategien, die dir dabei helfen können:

1. Wähle ein Thema für deine Prokrastination
Wenn du merkst, dass du wieder „abschaltest“, könntest du diese Zeit gezielt nutzen, um etwas Neues zu lernen oder etwas Sinnvolles zu tun. Statt wahllos durch Social Media zu scrollen, wähle ein Thema, das dich interessiert, wie:

- Kochrezepte: Suche nach neuen, schnellen, leicht zu merkenden Gerichten, mit wenigen Zutaten, die du ausprobieren kannst. Am besten mit Dingen, die du eh in der Küche hast. Das motiviert sehr sofort aufzustehen und das Gericht umzusetzen. Und schon bist du aktiv geworden.


- Fitness und Trainingseinheiten: Informiere dich über Übungen, die du zu Hause machen kannst. Es gibt einfache Übungen, die du direkt mit dem Handy in der Hand im liegen erledigen kannst. Und schon tust du etwas für dich.


-DIY-Projekte: Lass dich von Bastelideen oder kreativen Projekten inspirieren. Ok, zugegeben - so tolle Projekte es auch gibt und so voll meine Liste zum nachmachen mittlerweile auch ist - es bleibt bei mir meistens bei der Liste. Aber vielleicht ist es genau dein Ding!


- Sprachlern-Apps oder Tutorials: Nutze die Zeit, um eine neue Sprache oder Fähigkeit zu erlernen.

Dazu muss ich persönlich auch wirklich Lust haben. Aber mein persönlicher Tipp, wobei man wirklich einfach nebenbei etwas lernt ist: Einfach einige Seiten auf Instagram liken, die tolle visuell aufgemachte Beiträge mit Wörtern auf Deutsch und in der Sprache, die dich interessiert, posten. Schaue, dass der Account aktiv ist und regelmäßig, am besten täglich neue "Lernkarten" hochlädt. So liest du beim scrollen immer wieder neue Worte und Sätze und manchmal bleibt auch wirklich was hängen. Nicht die beste Lernmethode, aber hey - man lernt auch mal was.

Diese Herangehensweise sorgt dafür, dass du dich am Ende nicht leer fühlst, sondern etwas mitnimmst, das dich bereichert.


2. Führe ein Prokrastinations-Tagebuch
Ein einfacher, aber effektiver Tipp ist es, aufzuschreiben, wie du deine „Abschaltzeit“ genutzt hast. Halte fest, was du gelernt oder entdeckt hast. Zum Beispiel:

- **Tag**: Dienstag, 14:00–15:00 Uhr
- **Aktivität**: YouTube-Tutorials zu gesundem Meal Prep geschaut
- **Ergebnis**: Zwei neue Ideen für die Essensplanung entdeckt

Zur Vereinfachung habe ich dafür Sticker im Shop, die du einfach in dein Wochenplaner einkleben kannst. Schon sieht der Kalender voller aus mit Dingen, die man getan hat :)

Dieser Ansatz hilft dir, die Zeit der Prokrastination nicht als „verloren“, sondern als produktiv wahrzunehmen. Es kann auch ein gutes Gefühl sein, am Ende der Woche auf eine Liste kleiner Fortschritte zu blicken.


3. Baue bewusste Pausen ein
Manchmal resultiert die Prokrastination aus einem Mangel an geplanten Pausen. Dein Gehirn braucht Zeit, um sich zu erholen, insbesondere wenn du mit ADHS lebst. Plane daher regelmäßige, bewusste Pausen ein, in denen du „abschalten“ darfst.

Oder du versuchst dich in der Anfangsphase der Motivation direkt an der Pomodoro Technik : 

Setze dir einen Timer: Zum Beispiel 25 Minuten konzentriertes Arbeiten und 5 Minuten Pause. Nutze die Pausen, um dich kurz auf etwas Angenehmes zu konzentrieren, z. B. einen kurzen Spaziergang oder bewusstes Scrollen.

4. Schreibe auf was dir in den Sinn kommt

Wenn dir während der Arbeit einfällt doch schnell mal was in den Warenkorb zu legen oder nachzuschauen welcher Schauspieler in welchem Film war, schreibe es erst eimal auf einem Block, das immer in deiner Reichweite ist (ich habe auf zwei Etagen, Schreibtisch, Bücherregale, Nachttisch und drei Handtaschen / Rucksäcke verteilte Blöcke in die ich solche Braindumps schreibe).

Wenn es dir wirklich wichtig ist, wirst du diese Aufgabe direkt nach der Arbeit nachholen. Wenn nicht wirst du einfach später nochmal darüber stolpern und kannst dann nochmal entscheiden ob du die Liste abarbeiten möchtest.

5. Lass den Perfektionismus los
Ein großer Auslöser von Prokrastination ist der Wunsch, alles perfekt zu machen. Doch Perfektion ist selten realistisch. Akzeptiere, dass es völlig in Ordnung ist, Dinge „gut genug“ zu machen. Dieser Mindset-Shift nimmt den Druck und hilft dir, Aufgaben leichter anzugehen.


6. Sprich mit dir selbst positiv
Es mag sich seltsam anhören, aber wie du mit dir selbst sprichst, beeinflusst dein Verhalten stark. Statt zu sagen: „Ich bin so faul, warum habe ich nichts geschafft?“, versuche: „Ich brauchte diese Zeit, um mich zu entspannen, und das ist okay. Jetzt kann ich wieder mit frischer Energie starten.“


Warum ein Perspektivwechsel wichtig ist


Eines der größten Probleme bei der Prokrastination ist das schlechte Gewissen danach. Doch anstatt dich selbst dafür zu kritisieren, könntest du den Fokus darauf legen, was du in dieser Zeit Positives mitgenommen hast. Vielleicht hast du eine inspirierende Idee gesehen, dich weitergebildet oder einfach nur die nötige Pause gehabt, um später effektiver zu sein.

Der Schlüssel ist, den Dopamin-Abfall nach der „Verschwendung“ von Zeit durch ein bewusstes Erfolgserlebnis zu ersetzen. Indem du dir verdeutlichst, dass diese Zeit nicht umsonst war, kannst du dich von den negativen Gefühlen lösen.


Ein Wort in eigener Sache: 

Ich bin keine Therapeutin, sondern jemand, der wie du den Alltag jongliert – mit Haushalt, Kindern, einem Hund und dem eigenen Business. Prokrastination gehört für mich dazu, aber ich habe gelernt, sie für mich zu nutzen, anstatt mich von ihr unterkriegen zu lassen.

Indem ich meine „Abschaltzeit“ bewusst lenke und die Schuldgefühle durch Selbstakzeptanz ersetze, fühle ich mich weniger überfordert und kann den Herausforderungen des Alltags besser begegnen.

Wenn du dich selbst in diesem Artikel wiederfindest, dann probiere doch mal ein paar der Tipps aus. Vielleicht entdeckst du, dass Prokrastination nicht dein Feind, sondern eine Chance sein kann, dich selbst besser zu verstehen und kreativ zu wachsen. 😊

Und: Natürlich gibt es noch Tage an denen ich mit Genuss sinnlos scrolle und ich habe richtig spaß daran mein Gehirn abzuschalten. Denn: Die Wäsche läuft eh nicht weg.

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